Lübeck lebt über seine Verhältnisse – und muss jetzt den Mut zur Korrektur finden
Die Lübecker Bürgerschaft hat den Haushalt 2026 beschlossen. Die Haushaltsinitiativen der FDP, die gemeinsam mit CDU und Grünen eingebracht wurden, fanden eine Mehrheit. Hierzu erklärt der Fraktionsvorsitzende der FDP Thorsten Fürter:
„Lübeck steht vor der größten finanziellen Herausforderung seit Jahrzehnten. Zwar konnten wir in der Bürgerschaft durch Einsparmaßnahmen das Defizit von über 162 Millionen Euro auf knapp 154 Millionen senken, doch bereits 2027 droht ein erneuter Anstieg. Es ist ein Befund, der nicht allein durch äußere Umstände erklärt werden kann. Denn die Einnahmen der Stadt sind nicht eingebrochen – im Gegenteil: Sie erreichen Jahr für Jahr neue Rekordwerte. Das Problem liegt auf der Ausgabenseite. Lübeck hat über seine Verhältnisse gelebt.
Zu hohe Ausgaben
Der Reflex, auf mehr Förderung durch Bund und Land zu hoffen, greift zu kurz. Die Stadt leidet nicht unter zu wenig Einnahmen, sondern unter einem zu großen Appetit. Über Jahre hat sich eine politische Kultur verfestigt, in der fast jede neue Idee als Haushaltsposition endet – oft verbunden mit neuen Stellen, Projekten oder Förderlinien. Der Haushalt ist aufgebläht, aber die Stadt ist dadurch nicht stärker geworden.
Nun ist die Zeit des Korrigierens gekommen. Das bedeutet nicht, blind zu kürzen, sondern Prioritäten zu setzen. Denn wer versucht, alles zu finanzieren, riskiert am Ende, dass nichts mehr funktioniert. Lübeck braucht eine Politik, die ehrlich sagt, was sich die Stadt noch leisten kann – und was nicht mehr.
Das Ende des Personalaufwuchses
Ein zentrales Element des jetzt beschlossenen Kurses ist der Stopp des Stellenwachstums. Die Gesamtzahl der Planstellen wird auf dem Stand von 2025 eingefroren – bei 4.367. Neue Aufgaben sollen künftig nur noch durch Umschichtungen oder durch Stellen finanziert werden, die vollständig oder ganz überwiegend von Dritten getragen werden. Das klingt technisch, hat aber weitreichende Wirkung: Erstmals seit Jahren verabschiedet sich Lübeck von der Vorstellung, jedes neue Problem durch zusätzliches Personal lösen zu können.
Diese Maßnahme ist kein Angriff auf Beschäftigte, sondern ein Schritt hin zu einer effizienteren Verwaltung. Wir haben eine Agenda HL35 beschlossen, mit der Prozesse digitalisiert, Doppelstrukturen abgebaut und interne Strukturen modernisiert werden. Eine Verwaltung, die schneller, schlanker und bürgernäher arbeitet – das ist die Vision.
Führung gefragt
Dass dieser Kurs nicht vom Bürgermeister selbst, sondern in einer gemeinsamen Haushaltsinitiative von CDU, Grünen und FDP formuliert wurde, ist bezeichnend. Jan Lindenau (SPD) hat zwar Sparvorschläge vorgelegt – doch die politische Verantwortung dafür übernahm er nicht. Die Folge: Seine eigene Partei ging auf Distanz und bekämpfte in der Bürgerschaft zentrale Eckpunkte seines Haushaltsentwurfs. Dabei hätte gerade in dieser Lage eine klare Ansprache helfen können. Eine Rede, die nicht beschwichtigt, nicht andere Ursachen betont, sondern die Notwendigkeit des Sparkurses erklärt.
Stattdessen wurde die Auseinandersetzung über Monate verschleppt. Das hat Vertrauen gekostet. Denn wer schwierige Entscheidungen nicht offensiv vertritt, erweckt den Eindruck, sie lieber auszusitzen. Führung aber heißt, auch Unpopuläres zu vertreten – und dafür einzustehen.
Investieren, wo Zukunft entsteht
Sparen allein reicht nicht. Der neue Kurs soll den Handlungsspielraum zurückgewinnen, um gezielt investieren zu können – vor allem in Bildung, Energie und Mobilität. Wir haben deshalb durchgesetzt, dass die Investitionen in Schulgebäude deutlich steigen.
Vier Projekte stehen im Mittelpunkt: Die Schule am Meer in Travemünde, die Bugenhagenschule, die Ahorn-Schule, die Domschule und die Schule am Grönauer Baum. Hinzu kommen Mensen an der Pestalozzi- und an der Mühlenwegschule, die den Ausbau zu Ganztagsschulen ermöglichen und Landesförderung sichern.
Finanziert werden diese Mehrausgaben unter anderem durch den Verkauf von Erbbaurechten. Damit nutzt Lübeck gebundenes Vermögen, um dringend benötigte Investitionen zu ermöglichen – ohne weitere Schulden aufzunehmen. Es ist ein pragmatischer, liberaler Ansatz: Eine Reduzierung der Verschuldung durch die Aktivierung vorhandener Werte. Damit ist es uns gelungen, Schulinvestitionen, die auf der Streichliste von Bürgermeister Jan Lindenau standen, doch in die Planung aufzunehmen. Eltern und Schülerinnen und Schüler wissen, wie dringend diese Investitionen gebraucht werden.
Die Grenzen des Sozialstaats
Ein besonders sensibler Punkt betrifft den Sozialetat. Deutschlandweit steigen die Sozialausgaben der Kommunen – ein Trend, der sich scheinbar verselbstständigt hat. In Lübeck machen sie längst den größten Einzelposten im Haushalt aus. Vieles ist durch Bundesrecht festgelegt, doch die Stadt darf sich nicht damit abfinden, zum reinen Vollzugsorgan zu werden.
Denn hohe Sozialausgaben sind kein Naturgesetz. Sie lassen sich langfristig nur durch wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung dämpfen. Eine Stadt, die Arbeitsplätze schafft, stärkt ihre Einnahmen – und entlastet zugleich die Sozialsysteme. Wirtschaftspolitik ist deshalb immer auch Sozialpolitik. Lübeck braucht eine Standortpolitik, die Unternehmertum ermöglicht, Investitionen erleichtert, Bürokratie abbaut und Fachkräfte hält.
Die Zuwendungen an soziale und kulturelle Träger sollen in den kommenden fünf Jahren stabil bleiben. Eine Kürzung haben wir vermieden – nicht jedoch den Anspruch, dass auch dieser Bereich einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leistet. Die Sozialausgaben können nicht so stark weiter wachsen, ohne den Haushalt zu überfordern.
Klima als Investitionsthema
Die Stadtwerke Lübeck werden im Jahr 2026 erneut eine Eigenkapitaleinlage der Stadt erhalten. Damit sollen Ausbau und Modernisierung der Fernwärme gesichert werden – ein zentraler Baustein der kommunalen Energiewende. Gerade in dicht bebauten Quartieren ist Fernwärme häufig die einzige realistische Option, um klimafreundliche Wärmeversorgung umzusetzen. Wir sehen Klimapolitik nicht als Spielfeld von Gängelung und unbezahlbaren Visionen, getrieben von unrealistischen Klimazielen. Für uns ist Klimapolitik ein Investitionsthema und die Kapitalausstattung der Stadtwerke passt in dieses Konzept.
Ein neuer Realismus in der Finanzpolitik
Am Ende führt alles zu einem klaren Befund: Lübeck lebt derzeit über seine Verhältnisse. Jeder Euro im Haushalt muss zuvor von den Menschen dieser Stadt erwirtschaftet werden. Diese Erkenntnis klingt banal, ist aber das Fundament jeder seriösen Finanzpolitik – und sie wurde zu lange ignoriert.
In der politischen Debatte geht es häufig um die Frage, was die Stadt alles leisten soll. Geld ausgeben sichert schnellen Applaus, wer Geld einspart, muss sich rechtfertigen. Selten wird gefragt, wer das eigentlich bezahlt. Die Angestellten, die Handwerker, die Selbstständigen, die Unternehmerinnen und Unternehmer – sie tragen die Stadt. Auch sie haben Anspruch auf eine Politik, die ihre Anliegen mit Respekt behandelt.
Der Haushalt 2026 markiert deshalb keinen Abschluss, sondern den Beginn einer Kurskorrektur. Es ist ein Schritt hin zu einem neuen Realismus, der wirtschaftliche Vernunft, soziale Verantwortung und Zukunftsinvestitionen miteinander verbindet. Nur wenn Lübeck den Mut behält, klare Entscheidungen zu treffen, kann die Stadt wieder aus eigener Kraft wachsen – solide, verlässlich und mit einem Verständnis dafür, dass Wohlstand nicht verordnet, sondern erarbeitet wird.“