Klimaschutz: Ehrgeizige Ziele sind gut, unmögliche ein Problem

Thorsten Fürter

Die Bürgerschaft hat ihre Zielsetzungen für den Klimaschutz geändert. Bisher war das Ziel, Klimaneutralität in Lübeck im Jahr 2040 zu erreichen. Jetzt hat eine Mehrheit in der Bürgerschaft dieses Ziel auf 2035 vorgezogen. Die FDP-Bürgerschaftsfraktion sieht diese offensichtlich nicht erreichbare Zielsetzung als problematisch an. Thorsten Fürter, Fraktionsvorsitzender der FDP, erklärt hierzu: 

„Die Lübecker FDP steht für eine pragmatische und effektive Klimaschutzpolitik. Je eher wir in Lübeck Klimaneutralität erreichen, desto wirksamer ist der Beitrag der Stadt zu den globalen Klimaschutzanstrengungen. Aber eine Zielsetzung, von der jetzt schon alle wissen, dass sie nicht erreichbar ist, schadet diesem Ziel mehr, als sie nutzt. Die Hauptaufgabe der Stadt in der Klimaschutzpolitik ist die Veränderung von Energieerzeugung und Wärmeversorgung. Große Teile der Stadt müssen dafür mit neuen Leitungen umgegraben werden, entweder um Wärmenetze neu herzustellen oder um die Stromleitungen für den Betrieb von Wärmepumpen zu ertüchtigen. Die Stadtverwaltung ist aktuell bei ihren Bauprojekten aber viel zu langsam. Wir sehen das daran, wie viele Jahre wir brauchen, um auch nur einen Straßenbereich in der Innenstadt (Breite Straße, Mengstraße) mit neuen Leitungen zu versorgen. Oder wie verzögert die Stadt agiert, wenn sie ein ausrangiertes Warenhaus im Stadtkern für den Schulbetrieb umrüsten will. Schon das Klimaziel 2040 wäre nur erreichbar gewesen, wenn die Stadt sich sofort daran machen würde, ihre Strukturen im Baubereich massiv zu verschlanken, zu entbürokratisieren und zu beschleunigen. Aber da ist von Bürgermeister Jan Lindenau und Bausenatorin Joanna Hagen nichts zu sehen. Ob das neue Klimaziel 2035 ihnen Beine machen wird? Zweifel sind angebracht. 

Einen entscheidenden Beschluss beim Klimaschutz hat die Bürgerschaft allerdings auf Antrag der FDP getroffen: Der Fortschritt bei der Zielerreichung, also eine Klimabilanz für Lübeck, wird künftig jährlich im Rahmen der Haushaltsberatung vom Bürgermeister dargestellt werden. Dies war uns wichtig, um zu verdeutlichen, dass es nicht reicht, Wohlfühlziele aufs Papier zu bringen, die am Ende gar nicht gemessen werden. 

Das Abstimmungsverhalten der SPD in der Bürgerschaft zum Klimaschutz wirft erhebliche Fragen auf. Während Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) ausführte, das Ziel 2035 sei unmöglich zu erreichen, stimmte seine SPD der Vorziehung trotzdem zu. Getoppt wurde das durch die Ablehnung der von uns beantragten jährlichen Messung von Seiten der SPD. Erst unrealistische Ziele beschließen, aber dann die strikte Zielkontrolle ablehnen? Besser kann eine Partei nicht zeigen, dass für sie Klimaschutz nur ein Lippenbekenntnis ist. 

Bedauerlich ist der Beschluss der Bürgerschaft auch deshalb, weil hierdurch Bürgerbeteiligung auf der Strecke bleibt. Mit einem Bürgerentscheid über Klimaneutralität 2035 hätten alle Lübeckerinnen und Lübeckern ein Mitspracherecht bekommen, wie es beim Klimaschutz weitergehen soll. Die Akzeptanz für Klimaziele wäre erhöht worden, wenn alle Lübeckerinnen und Lübecker darüber abgestimmt hätten. Diese Chance hat die Mehrheit in der Bürgerschaft vertan.“