Hafenpolitik: FDP distanziert sich vom Vorstoß der Unabhängigen

Die FDP-Bürgerschaftsfraktion bewertet den Versuch der Unabhängigen den Hafenstandort Lübeck als solchen und insbesondere dessen weitere Entwicklung in Frage zu stellen, als unglücklich, wenig zielführend und vor dem Hintergrund der Corona-krise und der daraus resultierenden veränderten Wettbewerbssituation als höchst problematisch. „Ohne Grund werden Existenzen, Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven gefährdet, sowie Keile in die lübsche Gesellschaft getrieben“, kritisiert Fraktions-Vize Thomas-Markus Leber den Vorstoß.

„Wenn die Unabhängigen andere Prioritäten setzen wollen, ist dies ihr gutes Recht. Nachvollziehbar ist auch das Bestreben den Rettungsschirm für Kulturschaffende auf einen erweiterten Kreis von Berechtigten ausweiten zu wollen“.

„Indiskutabel sind allerdings Versuche die Beschäftigten im Hafen gegen Solokünstler ausspielen zu wollen. Die Unabhängigen haben mit ihrem Vorstoß vieles getroffen, nur nicht ins Schwarze“, so der Liberale in Anspielung auf eine Veröffentlichung der Unabhängigen.

„Kultur und Hafen lassen sich nicht gegeneinander ausspielen! Es geht nicht um das Entweder-oder, sondern um das Sowohl-als-auch. Beide Bereiche profitieren voneinander. Es gibt unzählige Wechselbeziehungen und Synergieeffekte.

Ende Juli 2020 wurde auch mit den Stimmen der FDP-Fraktion das Sonderhilfeprogramm „Strukturerhalt Kultur“ mit einem Volumen von 1,2 Mio Euro auf den Weg gebracht. Ohne Gewerbesteuereinnahmen - auch aus dem Hafen - wäre dies nicht möglich gewesen.

„Stets haben wir uns für den Kulturstandort eingesetzt. Ebenso taten wir dies für den Hafenstandort. Zuletzt galt unser Engagement vor allem und mit Erfolg der Fertigstellung des Hafenentwicklungsplanes 2030. Wir sind von der Zukunftsfähigkeit des Hafens überzeugt, sehen viele Potentiale und Entwicklungsmöglichkeiten, auch und gerade in Zeiten von Corona“.

„Die jüngsten Äußerungen der Unabhängigen haben uns entsetzt und betroffen gemacht“.

Mehr als 800 Jahre Hafengeschichte lassen sich belegen. Der einstige Reichtum der Stadt ist untrennbar mit dem Hafen verbunden. Nach wie vor zählen die Lübecker Häfen zu den wichtigsten

Häfen im Ostseeraum. Lübeck ist größter RoRo-Hafen in der Ostsee. Beim Gesamtumschlag nehmen die Lübecker Häfen seit Jahrzehnten die Spitzposition in Schleswig-Holstein und nunmehr

Position zwei hinter Wettbewerber Rostock als dem wichtigsten deutschen Ostseehafen ein. Lübeck hat Marktanteile an die beiden Wettbewerbshäfen Rostock und Kiel verloren. Mit einer modernen,leistungsfähigen und zukunftsorientierten Infrastruktur können jedoch wettbewerbsfähige Angebote geschaffen werden, um verlorene Marktanteile zurückzugewinnen.

Die Unabhängigen stellen die Bedeutung des Lübecker Hafens indes gänzlich in Frage und verweisen zur Begründung auf das Verhältnis von Wertschöpfung, Arbeitsplätzen und Steueraufkommen zu anderen Branchen. Der Vergleich macht Sinn. Der Erkenntnisgewinn ist jedoch maßgeblich vom Betrachtungshorizont abhängig. Die Unabhängigen fokussieren nur auf Unternehmen, die unmittelbar im Hafen agieren. 2016 waren 6400 Menschen in Hafen-, Umschlags-, Logistik- und Transportunternehmen, sowie in Produktionsunternehmen tätig, die durch den Hafen versorgt wurden oder aufgrund des Hafens dort angesiedelt waren. 

Der Kreis der hafenabhängig Beschäftigten hätte weitaus größer gefasst werden können. Insbesondere hätten auch Beschäftigte berücksichtigt werden können, die indirekte Leistungen erbringen, also vor- und nachgelagerte Leistungen entlang einer Wertschöpfungskette. 2016 waren dies immerhin 1760 Beschäftigte. Auch an induzierte Effekte hätten man denken können: Durch die Verausgabung von Löhnen und Gehälter entstand privater Konsum, der weiteren Beschäftigen ein Auskommen sichert. Alles in allem lebten 2016 mehr als 10000 Beschäftigte von und mit dem Hafen. Dies steht für sich und unterstreicht seine Bedeutung.

Auch der Lübecker Hafengesellschaft (LHG) gelang es den Herausforderungen zu trotzen und ein Sanierungskonzept fortzuführen, auf das man sich verständigt hatte. Die Mitarbeiter verzichteten auf einen Teil ihrer Ansprüche, die Hansestadt stundet für 4 Jahre die Pacht – ein gewaltiger Kraftakt. Die Sanierung läuft. Wichtige Verhandlungen stehen in der nächsten Zeit an. Diese sollten allerdings nicht durch eine öffentliche Debatte über einen von den Unabhängigen behaupteten Bedeutungsverlust des Hafens belastet werden. Hier von einem „Hochrisikogeschäft“ zu sprechen ist bezeichnend. Die LHG verfügt über eine erfahrene Geschäftsführung und einen Aufsichtsrat, der diese berät und kontrolliert. Es ist Aufgabe dieser Organe die Zeichen der Zeit zu erkennen und die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Der Lübecker Hafen ist jedoch weit mehr als nur die Lübecker Hafengesellschaft (LHG). So agieren weitere Hafenbetreiber, Reedereien, Speditionen, Werkstätten und Zulieferer in den Lübecker Häfen und dies seit Jahren und überaus erfolgreich. Erfolge sind möglich, weil die Unternehmen sensibel auf Veränderungen reagieren. Veränderungen in den Märkten, bei Schiffsgrößen, im Intermodalverkehr, aber auch globale Effekte, Digitalisierung, Klima- und Naturschutz erfordern Anpassungen. Produktweiterentwicklungen, Prozessverbesserungen und insbesondere auch Investitionen bedeuten für zukunftsorientierte Unternehmen die Chance die eigene Wettbewerbssituation zu verbessern. Intelligente und flexible Lösungen sind gefragt, auch in den Häfen. Über die Höhe der Investitionen lässt sich trefflich streiten. Es liegt in der Natur der Sache, dass sie in den Häfen ein größeres Finanzvolumen aufweisen.

Welche Maßnahmen, welche Projekte und welche Investitionen realisiert werden, wird erst nach einem umfangreichen Planungs- und Prüfungsprozess, den jede Maßnahme und jedes Projekt zu durchlaufenhat und an den sich der Gremienlauf anschließt, feststehen. Entschieden ist bislang entgegen einer scheinbar weit verbreiteten Auffassung noch nichts!

Mit dem Hafenentwicklungsplan 2030 (HEP) steht nunmehr aber allen Akteuren, die sich mit der Hafenentwicklung beschäftigen, ein wertvolles Arbeits- und Planungstool bereit, das private Investoren, Politik und Verwaltung nutzen können um hafenrelevante Projekte und Maßnahmen zu planen. Die Bürgerschaft hatte dieses mit großer Mehrheit in der Mai-Sitzung verabschiedet. Potentiale für die weitere Hafenentwicklung sind identifizierbar.

Die Bürgerschaft hat mit ihrem Beschluss aber keine Umsetzungsentscheidung getroffen. So wurde weder das Ausbaggern der Trave beschlossen noch Eingriffe in das Dummersdorfer Ufer. Hier gab es offensichtlich einige Missverständnisse, auch bei den Unabhängigen.

Der aktuelle HEP unterscheidet sich von allen bislang aufgelegten Plänen durch ein wesentliches Detail: Die Bürgerschaft hat beschlossen, dass er fortgeschrieben werden muss!

Alle Statistiken, Analysen und Prognosen werden nun im Zeitverlauf fortgeschrieben und konkretisiert. Dies gilt auch für die Frage der Auswirkungen der Festen Fehmarn Beltquerung (FFBQ) auf die Häfen.

Während aktuell allenfalls vage Vorhersagen möglich wären, werden bald belastbare Erkenntnisse zu den Auswirkungen vorliegen, auch zu den Warenströmen. So lassen sich nicht nur Risiken, sondern auch Chancen der FFBQ identifizieren.

Wie wichtig eine Fortschreibung des HEP ist, zeigt die aktuelle Entwicklung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Weltweit gab es in nahezu allen Bereichen signifikante Einbrüche und Veränderungen.

Viele Aussagen, Annahmen und Prognosen im HEP müssen überarbeitet, angepasst und neu bewertet werden. Die kontinuierliche Fortschreibung unter Berücksichtigung entsprechender Entwicklungen sichert die notwendige Flexibilität und Zukunftsfähigkeit von öffentlichen und privaten Investitionen in die Häfen.

Wenig zielführend erscheint aktuell vor dem Hintergrund dieser Unsicherheiten eine Diskussion über konkrete Hafenprojekte. Sie kommt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Die FDP wird sich einer sachlichen Diskussion auch zur Zukunft des Hafens nicht entziehen. Diese sollte aber erst erfolgen, wenn belastbare Analysen vorliegen und Prognosen möglich sind. Bis dahin sollte auf weiteres Hafen-bashing verzichtet werden. Zu viel steht auf dem Spiel. Zu oft führten ähnliche Diskussionen zu einer negativen Außenwahrnehmung und in der Folge zu negativen Effekten, zum Nachteil der Lübecker Häfen und der Lübecker Unternehmen.   

Hilfreich wäre es auch, wenn die Unabhängigen ihre Ziele und Projekte direkt benennen und entsprechende Anträge stellen würden, ohne dabei den Hafen insgesamt in Frage zu stellen. So lassen sich Unruhe und weitere Flurschäden vermeiden. Eine intensivere Beschäftigung mit dem HEP wird zudem zeigen, dass eine Entwicklung des Hafens nicht zwangsläufig zu einem größeren Flächenverbrauch führen muss. Stattdessen lassen sich Flächen wie die Roddenkoppel identifizieren, die nicht mehr als Hafenflächen benötigt werden und zukünftig für eine Wohnbebauung oder als Gewerbefläche zur Verfügung stehen. 

Mit Blick in die Zukunft macht es Sinn die Entwicklung des Hafens positiv zu begleiten. Alle Verantwortlichen sind gefordert sich den immer neuen Herausforderungen zu stellen.  

Ziel sollte es sein die Bedeutung des Hafens im Ostseeraum zu festigen, Arbeitsplätze zu sichern, die Erreichbarkeit zu verbessern, die Flächenproduktivität zu erhöhen sowie Ressourcen und Natur zu schützen, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Leber abschließend.