Bürokratie hemmt Wirtschaft und Klimaschutz in Lübeck
Im Werkausschuss wurde das vorläufige Aus für eine geplante Wasserstofftankstelle verkündet. Das Projekt sei an unüberwindlichen bürokratischen Hürden, wie sie sonst für eine Chemiefabrik gelten würden, gescheitert. Thorsten Fürter, Fraktionsvorsitzender der FDP, sieht die überbordende Bürokratie als zentrales Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung und das Erreichen der Klimaziele in Lübeck.
„Wir werden keine Klimaziele erreichen, wenn wir die Bürokratie immer weiter hochfahren. Ein konkretes Beispiel ist der Wasserstoff-Müllwagen der Stadtreinigung, der mit öffentlichen Mitteln angeschafft wurde, aber nicht betrieben werden kann, weil die hierfür notwendige Wasserstoff-Tankstelle an überzogenen Auflagen scheitert. Ein weiteres Beispiel sind Hauseigentümer, die keine Genehmigung für eine Solaranlage erhalten, weil Denkmalschutz oder Erhaltungssatzungen im Wege stehen. Hinzu kommen jahrelange Genehmigungs- und Planungsverfahren, die jede Innovation ausbremsen.
Die Bürgerschaft hat beschlossen, Lübeck bis 2035 klimaneutral zu machen. Wir haben gegen dieses Ziel gestimmt, nicht weil wir Klimaneutralität ablehnen, sondern weil wir die Zielsetzung als unrealistisch ansehen. Ohne einen massiven Bürokratieabbau müssen wir uns gar nicht darüber streiten, ob wir 2035 oder 2040 klimaneutral werden. Denn so erreichen wir weder das eine noch das andere Ziel.
Um die Klimaziele zu erreichen, müssten in den kommenden Jahren fast alle Straßen in Lübeck aufgerissen werden, um neue Fernwärmeleitungen oder Stromleitungen zu verlegen. Wer die jahrelangen Arbeiten im Bereich Breite Straße, Mengestraße und Beckergrube beobachtet hat, kann zu Recht Zweifel bekommen, ob das überhaupt möglich ist. Zumal dort aktuell nicht einmal Arbeiten ausgeführt werden, die für das Erreichen der Klimaziele wichtig sind. Ohne eine Straffung der Verwaltungsprozesse ist die Herkulesaufgabe der Klimaneutralität in unserer Lebenszeit nicht zu bewältigen.
Ich werde das Scheitern der Wasserstofftankstelle zum Anlass nehmen, um im Hauptausschuss bürokratische Hemmnisse genauer zu untersuchen. Wir müssen uns als Bürgerschaft viel stärker mit dem Thema Bürokratieabbau befassen. Die Bürokratie wird nicht nur beim Klimaschutz, sondern auch in Handwerk und Wirtschaft sowie im Privatleben der Menschen zunehmend zu einem Hemmnis. Dabei ist mir bewusst, dass viele bürokratische Vorgaben nicht aus Lübeck selbst, sondern aus Brüssel, Berlin oder Kiel stammen.
Wir können aber zumindest in Lübeck nicht noch zusätzliche bürokratische Hürden draufsatteln. Deshalb war die gemeinsame Initiative von CDU, Grünen und FDP in der Bürgerschaft so wichtig, keine neuen ‚Lübeck-Standards‘ für das Bauen einzuführen. Bei ausufernden Bundes- und Landesvorschriften sind wir gefordert, vor Ort in Lübeck nach unbürokratischen Lösungen zu suchen. Wenn andere Städte schneller sind, sollten wir uns anschauen, wie sie das trotz gleicher Gesetzeslage erreichen. Man kann das unrealistische Klimaziel 2035 kritisieren, aber wenn es dazu führt, dass die Verwaltung ab sofort schneller, effektiver und bürgerfreundlicher agiert, wäre das jedenfalls zu begrüßen.“